10 Denkfehler im Marketing Teil 10: Availability Bias

von Fred Geiger

Warum wir eigenen Erfahrungen und fremden Erfolgsrezepten nicht vorbehaltlos vertrauen sollten

In den USA steht das Wort „Edsel“ sinnbildlich für einen Megaflop in Sachen Marketing. Gilt dieses Fahrzeug von Ford doch als eines der grandiosesten Missgeschicke in der Historie der Absatzwirtschaft. Aber desaströse Fehlentscheidungen sind in Marketing und Vertrieb sehr viel häufiger, als man gemeinhin annimmt. Nur werden wir leider von den Erfolgsgeschichten kommunikativ dominiert. Dadurch erhalten wir ein irreales Trugbild, das es uns schwer macht, die rational richtigen Entscheidungen zu treffen. Wir gehen immer wieder einer hinterhältigen Fata Morgana auf den Leim, die uns manchmal sogar am richtigen Denken hindert.

Warum das so ist? Menschen wollen einfach Erfolgsgeschichten hören, Menschen wollen sich Ihrer Entscheidungen und Ihrer gewählten Strategien sicher sein, Menschen wollen Ihr Weltbild störende Gedanken ausblenden und Menschen neigen in Ihrem Streben nach Harmonie zum Opportunismus.

Einige Beispiele gefällig: Welcher Uniprofessor im Fach Marketing will schon den Hörsaal einem Loser zur Verfügung stellen, der einen Nachmittag über seinen grandiosen Misserfolg referiert, wenn man doch alternativ den smarten Hipster von diesem schicken Berliner Start-Up einladen kann, der das Audimax füllt und dort nicht nur über seine geniale Idee, sondern auch über seine tollen unternehmerisch denkenden Mitarbeiter und die kostenlose Cafeteria seiner Dotcom-Firma mit der selbstverständlich veganen Speisekarte berichten kann? Am Ende besteht der Praxisbezug des Marketingstudiums aus einer wahllosen Aneinanderreihung solcher Erfolgsgeschichten.

Ein (angestellter) Unternehmenschef, der für den ökologischen Umbau unserer Gesellschaft und seines Unternehmens eintritt aber in der Flüchtlingskrise eine AFD-nahe Position einnimmt – undenkbar.

Ein Produktmanager, dem man die größte Marke des Unternehmens anvertraut hat und der zwei Wochen nach seiner Inthronisation vorschlägt, das Werbebudget zu halbieren, da es seiner Meinung nach viel zu hoch ist – solch tollkühnen Mut habe ich noch nicht erlebt.

Weil wir im Studium und in dem darauf folgenden mehr oder weniger erfolgreichen Berufsweg nun einmal so stromlinienförmig sozialisiert werden, glauben wir deshalb alle, dass der Marketingerfolg auf einem klar erkenn- und erlernbaren Kanon von Gesetzmäßigkeiten basiert und wir diesen auch beherrschen. Wir Glückspilze können dann auch noch diese Geheimwissenschaft im Rahmen von so kostenlosen wie grandiosen Praxisvorträgen im Studium und dann weiter in teuren Erfolgsseminaren auf unserem Weg vom Marketingassistenten zum Head of Marketing eines Unternehmens quasi „en passent“ erwerben. Unser Blick auf die Welt ist aber aus diesen Gründen leider ein sehr verengter und fördert immer die gleichen Denk- und Verhaltensmuster, die dann in der Nachbetrachtung zum oft entsetzlich banalen Denkfehler mutieren. Oder, um in der Marketingsprache zu bleiben – sich als ein „Edsel“ herausstellen.

Der Ford Edsel – der größte Flop in der Geschichte der Automobilindustrie
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10 Denkfehler im Marketing Teil 9: Silodenken

von Fred Geiger

Warum uns „Faktentennis“ bei Entscheidungen oft gar nicht weiterhilft

Wenn Sie Digital Native sind oder die Entwicklung des Internets ab Mitte der 90er Jahre aufmerksam verfolgt haben werden Sie ganz sicher glauben, dass durch das Web und vor allem die sozialen Medien der Austausch von Informationen und die Meinungsvielfalt deutlich zugenommen hat und Ihre eigenen Möglichkeiten fundierte, faktengestützte Entscheidungen zu treffen sich geradezu dramatisch verbessert haben. Auch ich unterliege ganz häufig dieser Täuschung, aber die Realität ist ganz offensichtlich eine andere, wahrscheinlich ist sogar genau das Gegenteil der Fall – die Menge an Fakten erschwert es uns kluge Entscheidungen zu treffen:

Zum einen gilt das Phänomen „wir dürsten nach Wissen, aber wir ersaufen in Informationen“ (ein Postulat, das schon 1992 der 2003 verstorbene Neil Postman in seinem Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ vorausgesehen hat), weil uns die moderne Mediengesellschaft im Allgemeinen und das Internet im Besonderen mit einer maßlosen Informationsflut, dargereicht in geringer geistiger Tiefe und verpackt als Entertainment, komplett überfordert. Zum anderen bilden sich in sozialen Medien Biotope Gleichgesinnter, die uns den Blick auf alternative Ansichten vernebeln oder gar unmöglich machen.

Aktuell werden ja einerseits die verschiedenen Alternativen zur Eindämmung des Coronavirus und auf der anderen Seite, die mit dem Virus einhergehenden katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Folgen kontrovers diskutiert. Nun möchte man meinen, dass wir doch alle keine Virologen sind und uns deshalb in dieser fachlich fast undurchdringlichen Materie kein eigenes Urteil bilden sollten. Tatsächlich gibt es in Deutschland nur etwa 50 Lehrstühle zu diesem Thema (gegenüber 190 Lehrstühlen zur „Genderforschung“) und die Deutsche Gesellschaft für Virologie hat nur etwa 1000 Mitglieder. Es ist eben eine komplizierte Materie zu der nur eine kleine Gruppe von hoch spezialisierten Forschern wirklich Zugang hat. Mit den volkswirtschaftlichen Folgen dieser möglicherweise größten Krise seit 1929 kennen sich hingegen sicher mehr Forscher aus und viele Menschen, die einmal Volkswirtschaftslehre, BWL o.ä. studiert haben können sich hier eine mehr oder weniger fundierte Meinung bilden. Da die VWL aber keine Naturwissenschaft ist, gibt es aber der fundierten Meinungen sehr, sehr viele.

Obwohl wir also fast alle keine Ahnung von diesem Fachgebiet haben, spalten trotzdem zwei unversöhnliche Lager die Gesellschaft. Getrieben nicht etwa durch eine angemessene Argumentation wie „ich glaube“ oder „meiner Meinung nach“, sondern durch faktengetriebene heftige verbale Auseinandersetzungen. Je nachdem welcher „Fraktion“ wir angehören, verwenden wir ganz selbstverständlich Begriffe wie „Übersterblichkeit“, „Reproduktionszahl“ oder „Sterblichkeitsrate“. Das Problem besteht darin, dass diese Zahlen, trotz aller Genauigkeit bis hin zur zweiten Kommastelle, im Grunde untauglich sind, um das Ausmaß der Coronainfektion zu verstehen oder internationale Vergleiche anzustellen. In Wirklichkeit fehlt dem ganzen Zahlenwerk und den daraus ermittelten Kennziffern eine gesicherte Datenbasis, wie zum Beispiel die Gesamtzahl der Infizierten in einem Land. Aus diesem Grund wissen wir heute nicht, ob der deutsche Weg der passende ist, die Schweden bei ihren Entscheidungen richtig lagen oder ob wir uns Südkorea zum Vorbild nehmen sollten. Es ist wissenschaftlich heute nicht möglich, darüber eine gesicherte Aussage zu treffen. In einem Jahr werden wir schlauer sein, wenn wir die Sterblichkeit im ersten Halbjahr 2020 mit dem Vorjahr vergleichen können. Gefangen in unserem Silo von Einstellungen und Meinungen schlagen wir uns aber trotzdem, ohne Zögern oder den geringsten Zweifel, auf die eine oder andere Seite und versuchen den jeweiligen Gegner faktenreich nieder zu argumentieren.

Als weiteres Beispiel kann man hier die Flüchtlingskrise anführen: Die Foren im Webauftritt „Der Welt“ (der laut ihrer Gegner „bräsig-arroganten Millionärsgazette“) sind fast ausschließlich durch kritische Meinungen zum Thema dominiert und einzelne anders geprägte Foristen, unterstellen der Welt „rechtes oder rechtspopulistisches Gedankengut zu verbreiten“. In einer „Süddeutschen Zeitung“ hingegen, von Kritikern auch „Alpenprawda“ genannt, finden sich vorwiegend in Inhalt und Tonalität diametral entgegengesetzt geschriebene Artikel und in den Foren, Sie ahnen es schon, gibt es auch kaum nur die Spur einer Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, allenfalls geht es in den Beiträgen darum, dass die Hilfsbereitschaft gegenüber Migranten sogar nicht weit genug geht.  Was mich erschreckt: Auch hier wird die Diskussion von allen Seiten mit inquisitorischem Eifer geführt und man traut sich nicht seine Meinung frei zu äußern, um nicht auf dem kommunikativen Scheiterhaufen der einen oder anderen Seite zu landen. Eine Entwicklung, die ich in unserem Land noch vor wenigen Jahren für völlig undenkbar gehalten hätte. Gesellschaftlich führt das aus meiner Sicht zu einem Verlust eines echten Diskurses, ja einem gänzlichen Fehlen von politischer Streitkultur und statt Vielfalt dominiert die Einfalt. Für das Marketing gilt leider genau das Gleiche, weil die Marketingarbeit eben auch nur von Menschen gestaltet wird. Nehmen wir zum Beispiel die Möglichkeiten, die ein Unternehmen in Sachen „Contentstrategie“ generell hat:

premeon Content Strategien im Social Media Marketing
Contentstrategien im Social Media Marketing
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10 Denkfehler im Marketing Teil 8: Social Proof und Groupthinking

von Fred Geiger

Das Märchen von der Diversity und die Macht des Social Proof

Als unverzichtbarer Bestandteil im Kanon der Softskills, die ein Mitarbeiter heute „matchen“ muss,  wird heute die Eigenschaft der „Teamfähigkeit“ von Bewerbern gefordert. Ganz unabhängig, ob es dabei um eine Ausbildungsstelle als Maurer, die Position des Entwicklungsingenieurs bei einem Maschinenbauunternehmen oder die eines Parteivorsitzenden einer im Bundestag vertretenen Partei geht – mangelnde Teamfähigkeit ist ein k.o.-Kriterium. Das Bild des „einsamen Wolfs“, des genialen, aber etwas verschrobenen Forschers oder das des im persönlichen Umgang eher schwierigen Firmenpatriarchen ist irgendwie aus der Mode gekommen. Gelten diese sozial eben etwas inkompatibleren Menschen in Zeiten der wirtschaftlichen Komplexität, der Globalisierung, der Work-Life-Balance und der Achtsamkeit (mit sich und anderen) doch als Auslaufmodell. Es fehle, so viele wohlmeinende Protagonisten der neuen Führungskultur, diesen Menschen an Produktivität und der Fähigkeit ihr Wissen der guten Sache vorbehaltlos zur Verfügung zu stellen. Der Patriarch ist der Ketzer des 21. Jahrhunderts, der linkische Forscher wird im smarten Weltkonzern erst gar keinen Job finden, geschweige denn Karriere machen und um die Teamarbeit tanzen die Verantwortlichen in den Unternehmen wie einst die Israeliten ums Goldene Kalb. Das Hohe Lied gehört dem Teamwork!

Wenn Sie sich andererseits die erfolgreichsten Unternehmer des neuen Jahrtausends anschauen, sind diese oft keine guten Teamplayer, ja im Gegenteil oft das genaue Gegenteil davon: Steve Jobs hat seine Kunden nie gefragt, was sie brauchen, Jeff Bezos gilt ebenso wie Elon Musk als (wie soll ich es am besten ausdrücken, ohne am Ende den Regeln des neuen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes zum Opfer zu fallen) „ausgemachtes Ekel“? Und wer könnte sich den doch eher schüchtern und introvertiert wirkenden Bill Gates als smarten Projektleiter eines „diversen“ (sprich vielfältigen) Teams bei IBM vorstellen?

Verstehen Sie mich nicht falsch: Auch ich bin der Meinung, dass gerade im Marketing gut organisierte und faire Teamarbeit ein elementarer Erfolgsfaktor ist. Weil die unfassbar zunehmende Komplexität der Marketingarbeit, die Notwendigkeit sich (bedingt durch die Weiterentwicklung der Digitalisierung) ständig mit neuem Know-How auseinanderzusetzen und die zunehmende Vernetzung von Tätigkeitsgebieten nur im Team zu bewältigen ist.

Wir dürfen aber gerade deshalb die Schattenseiten der Arbeit im Team nicht einfach negieren. Teams haben nämlich eine Reihe von Nachteilen, wie das „Not-Invented-Here-Syndrom“, eine höhere Risikobereitschaft als einzeln verantwortliche Personen und einen höheren Zeitbedarf für den Entscheidungsprozess. Je größer und diverser ein Team, desto mehr Friktion entsteht dabei. Ist doch eine Vielfalt der Meinungen per se anstrengend, macht doch Diversity Entscheidungsprozesse im Team komplexer und langwieriger und wenn die Entscheider für eine technische Lösung ausschließlich Ingenieure sind, kann diese Lösung doch wohl nicht falsch sein – oder? Das zentrale Problem für das Ergebnis einer im Team erbrachten Leistung ist aber unsere angeborene Neigung uns manifesten Mehrheiten anzuschließen.

Das untere Bild zeigt Arbeiter während des Stapellaufs der „Horst Wessel“, eines Segelschulschiffs der deutschen Kriegsmarine im Jahr 1936. Nur 3 Jahre nach der Machtergreifung der Nazis, verweigert tatsächlich nur ein einziger Arbeiter den Hitlergruß. Dazu muss man wissen, das diese Arbeiter noch 1932 mit überwältigender Mehrheit die Sozialdemokraten und andere Parteien „links der Mitte“ gewählt haben. So funktionieren Diktaturen, Sekten und Fanclubs. Darüber hinaus aber auch das eine oder andere Unternehmen und übrigens auch die meisten Sozialen Medien: Wenn Mehrheiten sich sichtbar und dominant zeigen, wollen wir dazu gehören, obwohl wir uns vielleicht noch kurz vorher in der Opposition befanden. Dieses Phänomen nennt sich „Social Proof“.

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10 Denkfehler im Marketing Teil 7: Overconfidence Bias

…oder warum uns übertriebenes Selbstvertrauen in den Abgrund reißen kann

Carl von Clausewitz war ein preußischer Generalstabsoffizier zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Er lebte in einer Zeit großer Umbrüche: Die Französische Revolution, der Siegeszug der Revolutionsheere gegen die Fürsten Europas, der Aufstieg Napoleons, die katastrophale Niederlage der preußischen Armee bei Jena und Auerstedt gegen das napoleonische Heer, gefolgt vom Untergang des alten und der Erschaffung des neuen preußischen Staates, der gescheiterte Russlandfeldzug Napoleons (wo er nach seiner Entlassung aus dem preußischen Militärdienst auf russischer Seite kämpfte), danach die Restauration der alten Mächte – all dies hat er erlebt und zum Teil auch selbst gestaltet. Sein posthum (Clausewitz starb 1831 an der Cholera) erschienenes Buch „Vom Kriege“ ist ein Standardwerk der militärischen Strategie und der politischen Lehre, geschrieben in einer Zeit fundamentaler gesellschaftlicher wie politischer Umbrüche, die der heutigen erstaunlich ähnelt.

Clausewitz gilt auch heute noch als der vielleicht bedeutendste Militärstratege der Weltgeschichte und er beschrieb wohl auch als Erster den Zusammenhang zwischen Politik, der hohen Kunst der Diplomatie und der Führung brutaler und rücksichtsloser Kriege. Seinem Buch entstammt zum Beispiel der Satz „Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Wenn wir Marketing als ein politisches, vielleicht auch ein wenig als militärisches Spiel begreifen, kann uns dieser zeitlose Klassiker (der allerdings im Original nur schwer verdaulich ist, weil er sich einer komplizierten altertümlichen Sprache bedient) wirklich helfen, die richtigen strategischen Entscheidungen zu treffen und fundamentale Fehler zu vermeiden.

Ein bekannter Satz von Clausewitz lautet sinngemäß: „Ein Plan, der gelingt, ist kühn, ein Plan, der misslingt, ist tollkühn“, sprich zwischen dem mit Mut errungenen Triumph und einer durch Übermut erlittenen Niederlage, liegt nur ein schmaler Grat. In der Welt des Marketing begegnet einem dieses Phänomen immer wieder. Ein wesentlicher Grund hierfür sind die handelnden Akteure, denn gerade im Marketing finden wir sehr viel öfter Menschen mit ausgeprägtem Selbstvertrauen, hoher Eloquenz, kühnen Visionen und einem Hang zum Größenwahn als im Personalwesen, dem Controlling, der Produktentwicklung oder der Bilanzbuchhaltung.

Premeon Overconfidence Bias im Marketing Fred Geiger
Premeon Overconfidence Bias im Marketing
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10 Denkfehler im Marketing Teil 6: Überdiversifizierung

..oder warum Einfalt manchmal besser ist als Vielfalt

Mischkonzerne werden von Aktienanalysten von jeher mit Argwohn betrachtet und mittels „Konglomeratsabschlag“ auch häufig niedriger bewertet. Gelehrt haben das die Aktienspezialisten 250 Jahre Industriegeschichte, gelernt haben aus dieser Geschichte aber viele Unternehmenslenker offensichtlich nicht.

Michael Porter, der vielleicht bedeutendste und zugleich auch einflussreichste Denker im Bereich „Unternehmens- und Marketingstrategien“ nach dem zweiten Weltkrieg, hat in seinem Klassiker „Wettbewerbsstrategien“ erkannt, dass der bedeutendste Erfolgsfaktor von Unternehmen tatsächlich die Größe ist: einerseits sind es tatsächlich die großen marktführenden Unternehmen, die langfristig erfolgreich sind. Für Porter als US-Amerikaner natürlich gemessen am Profit, der Eigenkapitalrentabilität (ROE). Andererseits sind es laut Porter aber auch relativ kleine Unternehmen, die über lange Zeiträume renditestark sind. Diese wiederum unterscheiden sich fundamental von den „Großen“, vor allem im Managementstil und in den  Marketingstrategien.

Die „Kleinen“ sind entweder extrem fokussiert auf einen einzigen Markt, der für Großunternehmen nicht attraktiv ist (Nischenanbieter) oder ihr Erfolg basiert auf einer Spitzenstellung, was Marke und/oder Technologie anbelangt und zwar in einem spezifischen Markt (Spezialisten). Porter stellt dies in einem der bekanntesten Schaubilder der jüngeren Wirtschaftsgeschichte dar – der nach ihm benannten Porterkurve:

Premeon Porterkurve
Porterkurve – Size matters
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10 Denkfehler im Marketing Teil 5: Outcome Bias

..oder warum viele Erfolge im Marketing bloßer Zufall sind

Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist geprägt durch den Glauben an eine „Meritokratie“, d.h. wir sind überzeugt davon, dass Menschen im Job dadurch aufsteigen, dass sie nachweisbare mit ihrer Person verknüpfbare und messbare positive Ergebnisse erzielt haben und die Basis hierfür wiederum eine profunde theoretische Ausbildung ist. Der ideale Manager hat an verschiedenen bekannten internationalen Universitäten studiert und mit einer Promotion abgeschlossen. So werden Sie in Vorständen bundesdeutscher Aktiengesellschaften fast ausschließlich Männer finden (denn Frauen werden nach wie vor systematisch benachteiligt und erreichen allenfalls im Personalwesen Spitzenpositionen), die  promoviert haben oder zumindest Spitzenexamina einer renommierten Topuniversität im Lebenslauf aufweisen können. Eine solide gewerbliche oder kaufmännische duale Berufsausbildung als einzige Grundlage, ein Studium an einer Provinzhochschule und damit geradewegs in den Vorstand eines DAX-Konzerns? Eher exotisch, da muss man schon Josef Käser aus der bayerischen Provinz mit einem Studium an der Fachhochschule in Regensburg als Gegenbeweis bemühen – heute Vorstandsvorsitzender des Siemens Konzerns. Und auch er nennt sich dann doch lieber „Joe“ – ob er damit seinen Vornamen auf internationaler Ebene für seine Gesprächspartner leichter aussprechbar machen will oder ob es ein Versuch ist seine Herkunft aus der tiefsten Oberpfalz zu camouflieren, kann ich dabei allerdings nicht beurteilen. Dass „Arbeiterkinder“ in den Führungspositionen der Wirtschaft nach wie vor beschämend unterrepräsentiert sind, sei da nur am Rande erwähnt. Wir glauben vielmehr, dass eine vor der Karriere absolvierte brillante akademische Ausbildung quasi den Erfolg der Führungskraft produziert, dass “book-wise” viel wichtiger ist als “street-wise”.

Dass eine profunde Ausbildung und vielfältige berufliche Erfahrungen Erfolgsfaktoren sind, will ich übrigens gar nicht bestreiten. Was wir aber völlig unterschätzen, auch weil es uns menschlich so widerstrebt und weil wir es auch für ungerecht halten, ist die Macht des Zufalls. Leider überschätzen wir hingegen das analytische Momentum bei Entscheidungen und untergewichten den Zufall, das Glück oder die Macht sich überraschend ändernder Umstände. So halte ich auch das merkelsche Credo, „die Dinge vom Ergebnis her zu denken“ persönlich für falsch, denn ein Ergebnis lässt sich in einer immer komplexeren Welt weder in der Wirtschaft noch in der Politik wirklich vorhersagen, deshalb müssen wir aus meiner Sicht, wie einst schon Shakespeares Macbeth eben gerade nicht „die Schleudern des wütenden Geschicks erdulden“, sondern alternativ „sich waffnend gegen eine See von Plagen, durch Widerstand sie enden“. Anders ausgedrückt: den Weg zum Ziel aktiv und in jeder Phase aus eigener Kraft ständig neu gestalten und nicht an das Endergebnis denken oder auf ein gewünschtes hoffen. Agilität ist also gefordert und kein träges Abwarten und die ehrliche, wie demütige Einsicht, dass Ergebnisse eben in hohem Maße auch zufällig entstehen. Vor allem aber auch, dass der Lerneffekt aus vielen  Projekten viel geringer ist als wir glauben und vermeintliche Erfolgsfaktoren von uns nachträglich hineininterpretiert werden, dabei war es doch nur der Zufall, der unsere Produkteinführung zum sensationellen Erfolg gemacht hat.

Premeon Die Macht des Zufalls - Outcome Bias
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10 Denkfehler im Marketing Teil 4 : Similarity Bias

oder warum wir uns so schwer tun, innovativ zu sein

Zwei bekannte deutsche Sprichworte widersprechen sich ja diametral. Das eine lautet „Gegensätze ziehen sich an“, das andere „Gleich und Gleich gesellt sich gern“. Aus der Soziologie und der Psychologie wissen wir aber, dass nur die Richtigkeit des zweiten wissenschaftlich beweisbar ist. So sind die Scheidungsraten bei Paaren, die einen ähnlichen Hintergrund haben (Alter, soziale Klasse, Bildung, Attraktivität etc.) deutlich geringer, als bei Ehen, wo es große Unterschiede zwischen den Partnern gibt. Lothar Matthäus kann ein Lied davon singen. In Unternehmen mit geringerer Diversity ist das Konfliktpotenzial deutlich kleiner, als in Organisationen mit großer Spreizung in Sachen Alter, Geschlecht, Ausbildung oder ethnischer Herkunft. Eine durchaus unbequeme Tatsache ist auch, dass  Rassismus und die Ablehnung des Unbekannten dem Menschen quasi „in die Wiege gelegt“ ist, weil schon in der Steinzeit die Zuwanderung eines fremden Clans in die Nähe unserer Höhle eine handfeste Gefahr für unser Überleben bedeuten konnte. Waren wir doch jetzt gezwungen die überschaubaren Ressourcen, die bislang ausschließlich unserem Stamm zugänglich waren, seien es die Beeren und Früchte, das Feuerholz oder die wenigen erjagbaren Mammuts, mit anderen zu teilen. Das Fremde, das Neue, das Andere haben wir deshalb immer als Bedrohung wahrgenommen. Kein Wunder also, dass Donald Trumps „America first“-Ideologie bei der Mehrheit der US-Wähler verfangen hat oder warum die Briten mehrheitlich für den Brexit gestimmt haben.

Dieser urzeitliche, in früheren Zeiten auch ausgesprochen sinnvolle Mechanismus, ist in einer globalisierten Welt mit Hyperwettbewerb auf weltweiter Ebene natürlich ein schlechter Ratgeber. Es ist nur ungeheuer schwer, sich davon frei zu machen, denn wir suchen unwillkürlich nach dem, was uns nah ist. Nähe schafft Sicherheit und Vertrautheit, Nähe ist aber auch die Ursache für den Similarity Bias.

Denkfehler Filterblase
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10 Denkfehler im Marketing Teil 3: Survivorship Bias

oder warum sich Friedhofsbesuche lohnen

Sicher haben Sie auch schon den einen oder anderen Klassiker der Wirtschaftsliteratur gelesen. Vor allem Marketingbücher US-amerikanischer Autoren leiten dabei sehr häufig, aus anekdotenhaften Erfolgsgeschichten von charismatischen Entrepreneurs, Gesetzmäßigkeiten ab. Zum Beispiel, wie man erfolgreich ein Start-Up-Unternehmen gründet und es mit Fleiß, Intelligenz und dem einen oder anderen Quäntchen Glück zum Erfolg, ja oft zur weltweiten Marktführerschaft hin entwickelt. In Internetforen und Zeitschrifteninterviews, auf Konferenzen und in Seminaren oder eben auch in ihren Büchern und Biografien, geben dann diese Marketinggenies bereitwillig ihre Geheimnisse weiter. Kein Wunder, dass dann jeder Student der Betriebswirtschaftslehre oder jeder IT-Nerd ,mit diesen Erfolgsrezepten aus erster Hand, der nächste Steve Jobs werden möchte. Uns so ist unsere Wahrnehmung dann auch verzerrt: wir erfahren in der Regel nur etwas über die Geschichte der Sieger, denn, wie es Daniel Kahnemann in seinem wirklich lesenswerten Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ einmal formulierte: „Verlierer schreiben keine Ratgeber“. Dabei ist es aber – gerade in der Ära des modernen, onlinebasierten und datengetriebenen Marketings – oftmals viel wichtiger, die Rezepte des Scheiterns zu kennen, um Kardinalfehler zu vermeiden und Hindernisse auf dem Weg zum Erfolg rechtzeitig zu erkennen. Wir beschäftigen uns aber lieber mit einem kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit, den erfolgreichen Helden, als sinnvoller Weise mit der Grundgesamtheit, nämlich den Titanen und den Verlierern, um unsere Entscheidungen zu treffen oder zu hinterfragen. Bekannt ist dieses Phänomen unter dem Begriff „Survivorship Bias“, erstmals beschrieben durch den Mathematiker Abraham Wald.

Warum Flugzeuge abstürzen

In der Tat ging es bei Wald ursprünglich tatsächlich um das Thema „Überleben“: während des zweiten Weltkriegs versuchten britische Ingenieure den Standardbomber der Royal Air Force, die Avro Lancaster, so zu optimieren, dass durch bessere Panzerungen die Überlebensrate der Flugzeugbesatzungen erhöht und die Verlustrate an Maschinen reduziert werden konnte. Hierzu wurden die aus dem Einsatz zurückgekehrten Flugzeuge nach (durch deutsche Jagdflugzeuge und Flugabwehrgeschütze verursachten) Einschüssen untersucht. Es ergaben sich dabei typische Muster – offensichtlich waren bestimmte Bereiche der Flugzeuge stärker betroffen als andere. Die logische Folge: diese Bauteile der Maschinen wurden in der Folge stärker armiert. Zur Überraschung aller Beteiligten nahm aber die Verlustrate an Maschinen und die Zahl der toten Besatzungsmitglieder überhaupt nicht ab.

Premeon Survivorship Einschussmuster Flugzeug
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10 Denkfehler im Marketing Teil 2: Induktionsfehler

..oder warum Tradition kein Geschäftsmodell ist

Der Schwerpunkt meiner Seminare ist das, was ich gerne als Marketinginnovation bezeichne: ich bin Anhänger der Digitalisierung der Marketingarbeit und das in aller Konsequenz. Diesen Standpunkt vertrete ich bisweilen vielleicht auch etwas zu messianisch, sehr emotional und immer mit aller Leidenschaft. Nach einem zweitägigen Seminar fühle ich mich dann oft wie ein Marathonläufer nach 42 km – erschöpft, aber eben auch „im flow“, wie es meine Softskillkollegen nennen würden. Manche Teilnehmer hingegen, wirken durchaus bedrückt und ich suche dann auch häufig das Gespräch mit ihnen. Meist treffe ich dann auf folgende Gefühlslage: der Teilnehmende hat viel Neues mitgenommen, nicht nur von mir, sondern vor allem auch im Austausch mit anderen Teilnehmenden: was im Marketing jetzt und in naher Zukunft möglich ist, welche dramatischen Umbrüche bevorstehen und was sich auch im eigenen Unternehmen verändern muss. Aber sie/er verlässt das Seminar mit dem unguten Gefühl, dass man diese notwendigen Veränderungen bei sich nicht durchsetzen kann, obwohl man vielleicht sogar als Abteilungsleiter/in fungiert. Ganz häufig stellt sich dann heraus, dass die oberen Führungskräfte des Unternehmens zwar abstrakt Veränderungen wünschen und wollen, dafür auch Mittel verfügbar machen (wie zum Beispiel auch das Geld für Personal und Seminare), dann aber doch den Schritt „über den Rubikon“ meiden und/oder Mitarbeiter daran hindern diesen zu tun. Gründe dafür gibt es viele, aber nur in den seltensten Fällen sind es eine mangelnde intellektuelle Kapazität, Wissenslücken oder fehlendes persönliches Format der ersten oder zweiten Führungsebene. Ein wesentlicher und ganz banaler Grund, warum sich Führungskräfte mit „dem Neuen“ oft so schwer tun, ist der Induktionsfehler – ein Phänomen, das einerseits im täglichen Tun schwer durchschaubar ist und andererseits sehr häufig auftritt.

Das Induktionsproblem, das diesem Fehler zugrunde liegt, leitet sich aus der Erkenntnistheorie von David Hume und Immanuel Kant ab. Es geht um die Frage, ab wann sich aus der Wiederholung von Einzelfällen eine Allgemeingültigkeit ableiten lässt. Auf der Fehleinschätzung dieser Theorie basiert dann der Induktionsfehler, der im Marketing zu den am häufigsten verbreiteten Ursachen für strategische Fehlentscheidungen zählt. An einem bekannten Beispiel aus einem anderen Gebiet der Wissenschaft, der Motivationsforschung, kann man den Induktions-Bias besonders eindrücklich beschreiben – es ist das bekannte erste Hawthorne-Fabrik Experiment.

Premeon Induktionsfehler
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10 Denkfehler im Marketing Teil 1: Falling Knife Bias

….oder warum Erfolge die Basis weiterer Erfolge sind und Misserfolge weitere Misserfolge nach sich ziehen

von Fred Geiger

Der Begriff „Never catch a falling knife“ stammt ursprünglich aus dem Börsenhandel und besagt, dass man bei schon länger fallenden Kursen keine Aktie kaufen soll, auch wenn der Einstiegspreis noch so verlockend erscheint. Der Grund: meistens ist der Tiefpunkt doch noch nicht erreicht. Empirisch ist diese Börsenweisheit auch durchaus beweisbar. Allerdings stellt sich natürlich die Frage, was dabei „Henne und Ei“ sind: fallen die Kurse weiter, weil die Anleger an diese Theorie glauben oder gibt es tatsächlich fundamentale Gründe, die die „Falling Knife Theorie“ stützen? Generell gilt, auch wenn das der Anlageberater Ihrer Bank niemals zugeben würde, dass man Aktienkurse nicht verlässlich vorhersehen kann. Sämtliche wissenschaftliche Studien zu diesem Thema beweisen, dass Finanzberater, egal welche seriöse, unseriöse oder esoterische Methode sie anwenden, keine besseren Prognosen erzielen als ein Affe, der mit einem Dartpfeil auf einen Kurszettel wirft, und die „getroffenen“ Titel man dann wahllos einkauft. Das hat zumindest die renommierte Cass Business School aus London (die zu den Top 50 Wirtschaftsuniversitäten der Welt gehört) in einer Analyse über die letzten 43 Jahre herausgefunden. Aktienkurse entstehen schlicht durch die Summe der Erwartungen aller Marktteilnehmer und wenn diese in ihrer Mehrheit an die Falling Knife Theorie glauben, wird sich diese Prophezeiung auch ganz von selbst erfüllen.

Im Marketing finden wir dieses Phänomen auch: da gibt es einerseits Unternehmen, die es offensichtlich verstehen, so wie einst der antike phrygische König Midas, alles zu Gold zu machen. Ein Erfolg jagt den anderen und das Unternehmen, seine Mitarbeiter, seine Marken und seine Produkte sind „everybody´s darling“. Andere Unternehmen hingegen befinden sich trotz vergleichbarer Geschäftsmodelle, trotz einer guten Unternehmensstrategie und ähnlich erfahrenen wie qualifizierten Mitarbeitern, in einer verhängnisvollen Abwärtsspirale.  Ein Fehlschlag folgt dem nächsten, der Niedergang erfolgt vermeintlich unaufhaltsam und das Licht am Ende des Tunnels erweist sich als der entgegenkommende Zug.

Premeon Fred Geiger Marktanteile Mobiltelefone Nokia
Entwicklung Marktanteile Nokia im Markt für Mobiltelefone weltweit
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